Unser Mitglied, der Biberacher Holzdruckkünstler Siegfried Assfalg ist im Oktober diesen Jahres im Alter von 87 Jahren verstorben. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Freunden.
Assfalg wurde im April 1925 in Rohrdorf bei Horb am Neckar geboren. Gleich nach dem Abitur 1943 musste er zur Wehrmacht und geriet in französische Kriegsgefangenschaft. Dort entdeckte er seine Begabung als Holzschnitzer in der figürlichen Darstellung. „Ich wollte Kunst studieren, doch es kam alles anders“, schrieb er in seinen Memoiren, die in diesem Sommer in der Biberacher Verlagsdruckerei erschienen sind. Zwar konnte er eine Ausbildung als Holzbildhauer und Zeichner beginnen, doch war er gezwungen, mit Rücksicht auf den Familienbetrieb eine Drechslerlehre und kaufmännische Lehre zu absolvieren und jahrelang Tabakspfeifen zu fertigen. „Das war im Nachhinein der größte Fehler meines Lebens“, meinte er später.
Zwar lernte Siegfried Assfalg auch Porträt- und Aktzeichnen, doch lagen seine künstlerischen Fähigkeiten und Interessen lange Zeit brach. Nach dem Studium von Öl- und Aquarellmalerei erfährt er 1977, also im Alter von bereits 52 Jahren, in der Begegnung mit Heinz Schanz den zukunftweisenden Impuls: Er erlernt die Technik des Holzschnitts. Er schafft eine eigene Druckerpresse an, setzt sich als Holzdrucker mit den konstruktiven Elementen Hirnholz und Splintholz auseinander. Seit den 80er-Jahren arbeitet er konsequent mit dem klar strukturierten Abdruck von Brettern und Baumscheiben. Das runde Hirnholz benutzt er dabei als Sinnbild der Materie, das Splintholz mit seinen gerade verlaufenden, aufstrebenden Linien ist dem Geistigen zugeordnet.
In immer neuen geometrischen Kompositionen, die er gelegentlich auch in hölzerne Objekte umsetzt, huldigt Siegfried Assfalg diesem Prinzip. Wie kaum ein anderer bringt er organische Muster in eine rationale Form und gewinnt so, wie Ästhetikprofessor Eugen Gomringer einmal schrieb, „aus Natur-Struktur Kunst-Struktur“. Neben diesem Schwerpunkt im Bereich des Holzdrucks finden sich in Assfalgs Oeuvre des Künstlers aber auch figurative Holzskulpturen, konstruktive, nicht-figurative Holzkompositionen, Acrylmalerei, Collagen sowie konstruktive Bleistiftzeichnungen. Assfalg hat seine Arbeiten auf vielen Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen erfolgreich präsentiert und als Drucke publiziert. Etwa ab 2004 datiert sein Spätwerk mit Zeichnungen der freien Striche, gezeichnet ohne Holzmaserung direkt von der Hand auf das Papier.
Noch diesen Sommer zeigte das Landratsamt Biberach in einer Ausstellung Werke aus den verschiedenen Schaffensphasen Assfalgs. Die vielen Anerkennungen und Ehrungen, die er in den vergangenen Jahren erfuhr, dürfte er als Genugtuung für die entbehrungsreichen Jahre davor empfunden haben. So lobte ihn Dr. Barbara Renftle, Kustodin der „Stiftung pro Arte“ der Kreissparkasse Biberach, bei der Verleihung des Kunstpreises des Landkreises: „Siegfried Assfalg ist zum künstlerischen Inbegriff des Kreises Biberach geworden.“ Auch wenn Assfalg selbst sein Werk noch längst nicht vollendet sah, wie er anlässlich seines 80.Geburtstags im Jahr 2005 zur SZ meinte: „Wenn ich alle meine Ideen und Entwürfe verwirklichen wollte, müsste ich noch 50 Jahre lang leben.“ Es wäre ihm zu gönnen gewesen.
Schwäbische Zeitung vom 23.10.2012